Seit Monaten, ja mittlerweile schon seit Jahren, hat man das Gefühl, dass die österreichische Politik nur mehr mit sich selbst beschäftigt ist. Ob parlamentarischer Untersuchungsausschuss, ob diverse Skandale oder ob immer neue Vorwürfe, die ständig auftauchen. Es wird dabei ein Bild von der österreichischen Gesellschaft gezeichnet, das nur mehr aus Nepotismus, Vetternwirtschaft, Skandalen, dubiosen Netzwerken, Selbstdarstellern, Selbstbedienern und ähnlichem besteht und die Politik nur mehr destruktiv wirkt. Langsam hat man diese Bilder und Nachrichten einfach nur mehr satt und denkt sich: „Gibt es sie eigentlich noch, die konstruktive Politik, die unsere Gesellschaft zu verbessern trachtet?“ Und man fragt sich, können vielleicht neue Parteien dazu beitragen dieses Bild zu verändern? Ich denke, nein! Denn ohne die Veränderung der politischen Kultur in diesem Land, die sehr tief (in uns allen) verankert ist, werden auch neue Parteien keine Änderung bringen.
Gerade im Lichte der diversen Krisen und Unsicherheiten scheint es geradezu ein Hohn zu sein, dass wir scheinbar nichts anderes mehr zu tun haben, als aufzuklären und uns gegenseitig zu beschmutzen. Kaum ist ein Skandal aufgedeckt, wird schon der nächste (wenn auch nur scheinbare) Skandal gefunden und weiter geht das gegenseitige sich beschmutzkübeln. Das hat nichts mehr mit Politik zu tun.
Das soll natürlich nicht heißen, dass eine restlose Aufklärung der anstehenden Fragen nicht Gebot der Stunde ist. Schließlich hat der Souverän (ja das ist immer noch das Staatsvolk) ein Anrecht darauf zu wissen, wie mit seinem Vertrauen umgegangen wird und wie mit seinem Geld gewirtschaftet wird. Jedoch werden die negativen Aspekte der Politik derart in den Vordergrund gespielt, dass ihre wirklichen Aufgaben und Projekte nur mehr zu Randnotizen verkommen. Das führt schließlich zu allgemeinem Stillstand.
Dadurch setzt sich nun niemand mehr mit den wirklich wichtigen Fragen auseinander, die vielleicht lauten: Wie können wir unsere politische Kultur verbessern? Wie können wir unser politisches System anpassen um mehr Qualität in Demokratie, Gesetzgebung und Verwaltung zu erlangen? Was ist die Zukunft der Bildung? Wie können wir unsere Wirtschaft nachhaltig und krisensicher gestalten? Wie reagieren wir entschlossen auf die globalen Herausforderungen wie Friedensschaffung und Erhaltung und die großen existenziellen Umweltfragen? Zur Beantwortung dieser Fragen brauchen wir aber handlungsfähige Politiker_innen, die in der Lage sind sich dem gesellschaftlichen Diskurs zu stellen und die sich mit inhaltlichen und ideologischen Fragen auseinandersetzen.
Dies alles ist zurzeit nur sehr erschwert möglich. Dazu tragen aber alle ein wenig bei. Zunächst die Politiker_innen, indem sie die Aufklärung selbst zum Thema machen, anstatt sich offen und mit Anstand dem jeweiligen Thema zu stellen. Das betrifft die Beschuldiger, die einfach nur versuchen besser als die anderen dazustehen oder sich ein „Wir sind besser als die anderen“-Image zu verpassen, als auch die Beschuldigten, die den Schaden dadurch begrenzen wollen, indem sie das Geschehene möglichst unklar und verwirrend darstellen und hoffen, dass dies den öffentlichen Eindruck verbessern möge. Eine Strategie, die einfach nicht funktioniert. Dann die Vertreter der Medien, die immer noch ihrem alten Slogan nacheifern, wonach nur schlechte Nachrichten, gute sind. Und schließlich wir alle, indem wir uns zu sehr auf die Skandale einlassen und nicht unsere Aufmerksamkeit auf die Fragen richten, die uns alle betreffen. Nur indem auch wir alle an unserer (politischen) Kultur arbeiten, können wir jenen den Rücken stärken, die tatsächlich danach streben, für uns zu arbeiten und uns voranzubringen. Ohne Politik wird es nicht gehen, somit ist auch das Ende der Politik nicht eingeläutet, auch wenn vielleicht bestimmte Politiker_innen am Ende sind.
Ob jedoch die neuen Parteien, die nun (wieder) versuchen sich zu positionieren dazu beitragen werden die politische Kultur zu verändern, darf bezweifelt werden. Die politische Kultur kann sich nur dann fundamental ändern, wenn wieder die Sache, also Ziele, Projekte und Ideen, ja Visionen im Vordergrund stehen und diese Visionen fehlen zurzeit.