„Das ist nicht gerecht!“, ist eine häufig verwendete Phrase. Sie bringt die Meinung einer Person eigentlich sehr prägnant zum Ausdruck und bedeutet, dass diese Person mit einer bestimmten Handlung oder einer bestimmten Situation nicht einverstanden ist und diese eben als ungerecht empfindet.
Damit ist es mit der Prägnanz dieses Ausdruckes aber auch schon am Ende. Was dann eigentlich gerecht oder ungerecht ist, bleibt oft im Dunkeln. Es liegt ja häufig im Auge des Betrachters, was jemand als gerecht oder ungerecht empfindet. Ob Boni für Manager gerecht sind, oder ob „die Reichen“ mehr Steuer bezahlen sollen, wird je nach der eigenen sozialen Lage, oder der eigenen Einstellung zum Geld und zum Gemeinwesen eben als gerecht oder ungerecht beurteilt.
Auch Fragen wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau, von alten und jungen, von körperlich und geistig benachteiligten Menschen, oder von sogenannten Minderheiten ethnischer, sexueller und religiöser Art, können durchaus kontrovers diskutiert werden. Dies kann auch schon innerhalb des Konsensbogens erfolgen, der ja zumeist in jeder Gesellschaft vorhanden ist. Unter Konsensbogen verstehe ich dabei den Rahmen, der den anerkannten Mindeststandard darstellt, von dem Abzuweichen nur durch den (zumeist schmerzhaften) Bruch gesellschaftlicher Regeln erfolgen kann.
Die Definition was gerecht oder ungerecht ist, kann also nur durch einen allgemeinen gesellschaftlichen Konsens erreicht werden. Einem solchen Konsens gehen zumeist viele Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten voran. Daraus ein Substrat bilden und das allgemein als richtig oder gerecht erkannte zu identifizieren und die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen, kann nur durch die politische Auseinandersetzung mit der jeweiligen Materie erfolgen. Aus diesem Grund ist die Definition von Gerechtigkeit auch ein höchst politischer Prozess. Diese Verantwortung muss die Politik auch ständig wahrnehmen.