Liest man Kommentare – insbesondere in österreichischen – Online-Medien, Tageszeitungen, Foren und Magazinen, dann kommen dort kaum mehr sachliche Argumente vor. Die meisten Kommentatorinnen und Kommentatoren lassen nur mehr unspezifische oder spezifische Wut und Aggression in undifferenzierter und unsachlicher Form ab und das oftmals ohne ihre Argumente zu fundieren oder zu begründen. Selten werden sachliche Argumente ausgetauscht und hintergründige Diskussionen geführt. Das muss nicht sein, denn so wie intellektuelle Arbeit Zeit braucht, so braucht auch ein Posting eine Denkpause.
Vor dem Online-Zeitalter wurden Leserbriefe an Zeitungen und Zeitschriften geschrieben. Zumeist auf Papier und mit einer gewissen Verzögerung. Man musste sich überlegen, was man – eben – zu Papier bringt. Wenn man etwas schlecht geschrieben hatte, musste man es nochmals schreiben. Danach mussten auch die Redakteure der adressierten Zeitung aussuchen, welche Leserbriefe denn passend sind um sie zu veröffentlichen. Heute geht das alles unmittelbar und häufig gibt es nur sehr grobe Filter zwischen der Eingabetaste und der Veröffentlichung. Oft wird rasch und in der Emotion gepostet. Da sinkt natürlich auch die Qualität, sowohl inhaltlich als auch orthographisch. Auch Trolle, trollen sich so leichten Fußes durch die Seiten der Welt.
Sicher ist es gut, dass so heute mehr Menschen ihre Meinung kundtun können und dadurch vielleicht auch andere Aspekte und Meinungen zur Sprache kommen. Zusatzinformationen und Hintergründe, die der Redakteur oder die Redakteurin übersehen hatten werden so gleich mitgeliefert oder ergänzt. Doch nur in wenigen Postings ist das wirklich der Fall. Zumeist wird kollektiv über die Redakteure, die interviewten oder betroffenen Personen, die Sache oder die betroffene Partei unspezifisch und allgemein geschimpft. Sachliche Argumente gehen dabei unter. Zusätzlich versuchen Lobbyistinnen und Lobbyisten, Parteimitarbeiterinnen und –mitarbeiter etc. noch ihre Argumente unterzubringen und die ihrer Ansicht nach falschen Postings herunterzumachen um die öffentliche Meinung weiter in ihrem Sinn zu beeinflussen.
Ich denke diese Kultur des „überall seinen Senf dazugeben“ sollten wir aber grundlegend überdenken. Wenn ich zum Beispiel in einer emotionalen Sekunde eine Antwort auf ein Mail oder ein Posting schreibe, das mich sehr aufgewühlt hat, habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht kurz Inne zu halten und dieses zunächst nur zu speichern. Nach einer Weile lese ich mir das Geschriebene nochmals durch und bemerke häufig, dass viele allzu emotionalen Ausdrücke einfach unpassend oder unwürdig sind. Danach wird zumeist ein sachlicherer Text daraus. So konnte ich mir zwar zunächst die Emotion von der Seele schreiben, habe damit aber nicht gleich alle Welt belästigt oder belastet.
Aus diesem Grund plädiere ich dafür, dass wir uns wieder mehr Zeit und Verschnaufpausen gönnen. Postings könnten, wenn das jeweilige Medium schon nicht die notwendigen Ressourcen (wie zB die Zeit) für umfassende Moderation hat, nur nach einer Verzögerung (Nachdenkpause) und nach nochmaliger Bestätigung durch die Autorin oder den Autor online gehen. Dann würde vielleicht viel an unnötiger Emotion herausgenommen werden und manche oder mancher würde sich in ihren oder seinen Postings wieder häufiger überlegen, ob diese auch wirklich wichtig, notwendig und vielleicht auch inhaltlich wertvoll und richtig sind.